
Die Mitgliedschaft in einer Berufsgenossenschaft ist für Angestellte und Arbeitgeber selbstverständlich – aber wie sieht es bei Selbstständigen aus? Viele Unternehmerinnen und Unternehmer fragen sich, ob sie sich überhaupt bei einer Berufsgenossenschaft anmelden müssen, welche Vorteile eine freiwillige Versicherung bietet und welche Konsequenzen drohen, wenn man die Pflichtmitgliedschaft übersieht. In diesem Ratgeber klären wir die wichtigsten Fragen rund um das Thema Berufsgenossenschaft für Selbstständige, zeigen, wer zur Anmeldung verpflichtet ist, und geben praktische Tipps für die richtige Absicherung.
Die Berufsgenossenschaften (BG) sind Träger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland. Sie übernehmen die Aufgabe, Beschäftigte vor Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu schützen. Das geschieht sowohl präventiv – durch Sicherheitsvorschriften, Schulungen und Beratung – als auch repressiv, also durch finanzielle Unterstützung und medizinische Rehabilitation, wenn ein Unfall passiert.
Dabei sind die Berufsgenossenschaften nach Branchen gegliedert. So ist beispielsweise die BG Bau für die Bauwirtschaft zuständig, die BGN (Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) für Gastronomie und Lebensmittelverarbeitung, und die BG ETEM (Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse) für technische Berufe. Jedes Unternehmen wird also einer passenden Berufsgenossenschaft zugeordnet.
Die Hauptaufgaben lassen sich in drei Bereiche einteilen:
Auch für Selbstständige kann die Mitgliedschaft eine wichtige Schutzfunktion haben – insbesondere in risikoreichen Branchen, in denen ein Arbeitsunfall schnell existenzielle Folgen haben kann. Doch ob die Mitgliedschaft Pflicht oder freiwillig ist, hängt von der Art der Tätigkeit ab.
Nicht alle Selbstständigen müssen automatisch Mitglied einer Berufsgenossenschaft sein. In vielen Fällen ist die Versicherung freiwillig, es gibt jedoch bestimmte Berufsgruppen, bei denen eine Pflichtmitgliedschaft besteht. Diese ergibt sich aus dem Siebten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VII), das die gesetzliche Unfallversicherung regelt.
Pflichtmitglied sind Selbstständige insbesondere dann, wenn ihre Tätigkeit ein erhöhtes Unfallrisiko birgt oder wenn sie einem bestimmten Handwerk oder einer bestimmten Branche angehören. Zu den typischen Pflichtgruppen zählen:
Sobald also ein Selbstständiger Arbeitnehmer beschäftigt, muss er den Betrieb bei der zuständigen Berufsgenossenschaft anmelden. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob es sich um eine Vollzeitkraft, Teilzeitkraft oder Aushilfe handelt.
Wichtig: Die Anmeldung hat innerhalb einer Woche nach Aufnahme der Tätigkeit zu erfolgen. Wer dies versäumt, riskiert Nachzahlungen, Bußgelder und im schlimmsten Fall den Verlust des Versicherungsschutzes bei einem Unfall.
Auch wenn keine gesetzliche Pflicht besteht, kann sich eine freiwillige Mitgliedschaft lohnen – insbesondere für Einzelunternehmer, die in körperlich anspruchsvollen oder risikoreichen Berufen tätig sind.
Selbstständige, die nicht zu den gesetzlich versicherungspflichtigen Berufsgruppen gehören, können sich freiwillig bei der Berufsgenossenschaft versichern. Diese Option ist besonders interessant für:
Eine freiwillige Mitgliedschaft bietet umfassenden Unfallschutz, der weit über eine herkömmliche private Unfallversicherung hinausgeht. Denn die gesetzliche Unfallversicherung der Berufsgenossenschaft übernimmt nicht nur die medizinische Behandlung, sondern auch Verdienstausfälle, Rehabilitationsmaßnahmen und Rentenzahlungen. Zudem sind auch Wegeunfälle (z. B. auf dem Weg zum Kunden oder ins Büro) abgedeckt – ein wichtiger Punkt, der in vielen privaten Policen nicht enthalten ist.
Die Beiträge richten sich nach der gewählten Versicherungssumme und dem Risiko der Tätigkeit. Für ungefährliche Büroarbeiten fallen in der Regel deutlich geringere Beiträge an als für handwerkliche Tätigkeiten.
Ein Beispiel:
Ein selbstständiger Grafikdesigner zahlt bei der BG ETEM oft nur wenige Hundert Euro jährlich, während ein selbstständiger Dachdecker mit einem Vielfachen rechnen muss. Die genauen Beiträge legt jede Berufsgenossenschaft selbst fest.
Die Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft erfolgt über ein Formular, das meist online auf der Website der zuständigen BG verfügbar ist. Dort müssen Angaben zum Unternehmen, zur Tätigkeit und gegebenenfalls zu den Beschäftigten gemacht werden. Anschließend erhält der Unternehmer eine Mitgliedsnummer sowie Informationen über die Beitragshöhe und mögliche Zusatzleistungen.
Die Beiträge werden jährlich berechnet und setzen sich aus drei Faktoren zusammen:
Für Selbstständige mit freiwilliger Versicherung richtet sich der Beitrag hingegen nach der vereinbarten Versicherungssumme. Diese Summe kann individuell gewählt werden und bestimmt die Höhe der späteren Leistungen im Schadensfall.
Damit übernimmt die Berufsgenossenschaft Aufgaben, die sonst mehrere Versicherungen abdecken müssten – von der Unfallversicherung über die Kranken- bis hin zur Berufsunfähigkeitsversicherung.
Auch wenn viele Selbstständige zunächst glauben, die Berufsgenossenschaft betreffe nur Betriebe mit Angestellten, zeigt sich bei genauerem Hinsehen: Eine rechtzeitige Anmeldung und die richtige Versicherung können im Ernstfall über die wirtschaftliche Existenz entscheiden. Wer in einer gefährdeten Branche tätig ist oder regelmäßig körperlich arbeitet, sollte eine freiwillige Versicherung ernsthaft in Betracht ziehen.
Selbstständige profitieren nicht nur von finanzieller Sicherheit, sondern auch von einem professionellen Partner in Sachen Arbeitsschutz und Prävention. Und wer Angestellte beschäftigt, für den ist die Mitgliedschaft ohnehin Pflicht – hier drohen bei Versäumnis empfindliche Sanktionen.
Kurz gesagt:
Die Berufsgenossenschaft ist weit mehr als eine Formalität. Sie ist eine zentrale Säule der sozialen Absicherung in Deutschland – auch und gerade für Selbstständige. Wer sich frühzeitig informiert und anmeldet, sorgt nicht nur für Rechtssicherheit, sondern schützt auch sich selbst und sein Unternehmen nachhaltig.
Die neuen Artikel in unseren Blog.